Inhalt

Was ist ein Bass? 
Antreten zur Buffo-Karriere 
Anfänger, Anranzer, Besserwisser 
GMD: General-Musikdirektor ohne Truppe 
Wenn die Vernunft in die Schuhe rutscht 
Regen auf der Bühne 
Auftritt verpasst 
Fußballfieber in der Oper 
Regisseure, Noten und andere Winzigkeiten 
Gala mit "Starsängern"
Kritiker oder Kritikaster
Pleiten, Pech und Pannen
Wortspiele und Extempores
Wie viel "Original" erträgt die Oper?
Vertreibung der Opernfans
Was Regisseure treiben
Tierische Geschichten auf der Bühne
Blackouts, Hänger und Schmisse
Die "Kölsche" Kinderoper und ihre Kinder
Open air mit Überraschungen
Albträume eines Sängers
Die Mühsal des Lernens
Buffoneske Verwandlungslust
Kleine Sänger singen vor
Stimme weg und andere Unfälle
Die "fabelhafte" Welt der Oper 
Von Füchsen und Intendanten 
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Ulrich Hielscher

Gelebte Opernwelt

in Versen vorgestellt

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 



 

"Was ist ein Bass?"

Das ist zunächst mal hier die Frage.
Stellt man die Sache umgekehrt sich vor,
so ist ein Bariton auch unsrer Tage
der Übergang vom Menschen zum Tenor.

Kommt nun der Bariton als Übergang daher
- ihn gibt's als Sänger ja auf allen Straßen -,
ist ein Tenor nur ein Tenor, wirklich nicht mehr,
dann ist ein Bass ein Mensch, erwiesnermaßen!

 

 

 

 

"Was ist ein Buffo?"

Wäre hier vielleicht die nächste Frage.
Das ist ein Sänger von besondrer Art,
der singend, lustvoll, frei in jeder Lage
mit Verve das Komödiantische bewahrt.

Den Bass gibt's in verschiedener Timbrierung,
's gibt den seriösen, den Charakter-Bass dazu,
doch sollte fehln in keiner Inszenierung
ein Buffo, denn nur der ist erst der Clou!

Er sorgt für gute Stimmung bei den Proben,
hat immer einen flotten Spruch parat,
auch muss man einen Buffo wenig loben,
denn nur er selbst weiß, was er an sich hat.

Ja, nur ein Buffo ist gelöst und frei im Spiele,
den Satz: "Du musst!", gibt's auf der Bühne für ihn nicht,
in jeder Rolle kommt er aus sich selbst zum Ziele,
steht "außer sich" gelöst im Rampenlicht.

Was auch passiert, er kann darüber lachen,
die Emotion wird mit Humor gepaart,
derweil sich andre zwanghaft Sorgen machen,
hat er noch Energie dabei gespart.

Auch muss er schnell und pointiert parlieren,
verständlich, schön zu singen, ja, das geht!
Das Vorurteil muss er stets revidieren,
dass Sänger man ja doch niemals versteht.

Dazu muss er beherrschen so sein Singen,
dass sein Gesicht sich dabei nicht entstellt,
der szenisch richt'ge Ausdruck muss gelingen,
damit zum Spiel die Mimik sich gesellt.

Der Mund darf zur Trompete nicht erstarren,
in Falten soll die Stirn sich nicht verliern,
die Miene darf in Technik nicht verharren,
die Augen nicht zum Dirigent' nur stiern.

Er muss agieren aus der Körpermitte,
klar muss sein Auge alles mit durchleben,
bewegen muss er sich mit sichrem Schritte,
als würd Gesang und Spiel sich leicht ergeben.

Nun ist das Leichte in der Kunst stets auch das Schwerste.
Wie kann das Publikum man wirklich unterhalten?
Die Komik wird dann abgetan als erste,
als seichte Kunst: Schwer ist sie zu gestalten!

Ein Buffo ist nicht zwingend nur ein Bass,
nein, nein, ihn gibt es auch noch als Tenor,
auf beide, wenn's sie gibt, ist stets Verlass,
denn aus 'nem echten Buffo sprudelt nur Humor.

Und die Soubrette ist "der Buffo" bei den Frauen,
man will kokett sie auf der Bühne sehn:
Ihr Tanz, ihr Spiel sind lieblich anzuschauen,
sie sieht phantastisch aus und singt auch wunderschön.

Doch wie im Leben gibt es halt Kollegen,
da fehlt die Leichtigkeit, die Ausdruckskraft,
die sind zu freiem Spiel kaum zu bewegen,
weil schon das Singen Mühe ihnen schafft.

Ein solcher Sänger sollte nicht etwa probieren,
wenn's stimmlich im seriösen Fach schon krankt,
im Buffofach sich dann zu etablieren,
weil dieses Fach den Buffo nur verlangt!

Und leider gibt es auch mal Baritone,
die warn mal stimmlich top, doch jetzt nicht mehr,
die glauben dann für sich, 's wär doch nicht ohne,
wenn man noch mal als Buffo käm daher.

Doch wer humorlos, ja, das Fach niemals gelernt,
nur stand, sich kaum bewegte beim Gesang,
der ist von diesem Fach ganz weit entfernt,
und es erweist sich wirklich nur als Notausgang!

Ein guter Buffo kann auch ein Seriöser sein,
wenn stimmlich hier die Mittel ihm gegeben.
Will ein seriöser Bass in's Buffofach hinein,
muss er die Fähigkeiten haben, es zu leben.

 

 

 

 

Doch kommt's zum Glück auch immer wieder vor,
dass eine Inszenierung wirklich gut gelingt.
Nicht jeder Regisseur ist so ein Tor,
dass seine Arbeit stetig ihm misslingt.

Ein gutes Stück, modern zwar komponiert,
ein Bühnenbild mit Punkten, schwarz auf weiß,
wurd zum Erfolg, weil's gut auch inszeniert,
erwähnen will ich's hier nun zum Beweis.

Es warn zwei Dalmatiner auf der Bühne,
die wunderbar ins Bühnenbild ja passten,
doch mussten die ganz brav vor dem Kamine
auch dem Gesang zuhören ohne auszurasten.

Ich hatte nun ein Schumannlied zu singen.
Wenn ich damit begann, ich muss es sagen,
konnt's einem von den Hunden nur gelingen,
das Lied von mir gesungen zu ertragen.

Der andre schielte leicht genervt mich an,
er winselte zunächst ganz leis' von innen,
dann wurd ihm unerträglich mein Gesang,
und er verließ die Bühne, trottete von hinnen.

Sein Frauchen nahm ihn ruhig dann zur Seite,
zurück zur Bühne wollt er nicht mehr kommen,
dass, wenn ich sang, er ging, war schon 'ne Pleite,
doch hab ich es persönlich nie genommen.

 

 

 

 

Und manchmal gibt es dann auch die Versprecher!
Wenn wir den Überblick doch einmal ganz verliern,
entstehn im Dialog schon mal die Löcher,
die leicht zu einem Lapsus dann verführn.

Im "Freischütz" muss Agathe ängstlich rufen:
"Schieß nicht Max, ich bin doch die Taube!"
Den Probeschuss muss Max zum Schluss versuchen,
um Förster dort zu werden, so der Glaube.

Er hat mit Kaspar Freikugeln gegossen.
Weil, wenn er trifft, er auch Agathe noch gewinnt,
hat mit sechs Kugeln er bisher sehr gut geschossen,
doch ist die letzte jetzt dem Bösen nur bestimmt.

So kommt's im Stück zum Probeschuss am Ende,
Agathe weiß, dass er noch in der Wolfsschlucht war,
und zitternd streckt sie aus nun ihre Hände,
weil sie die Falschheit spürt und die Gefahr.

Die Sängerin, die die Partie gesungen,
der Deutsch nur schwer über die Lippen ging,
war nun beim Text zu mogeln oft gezwungen,
so dass sie sehr an der Souffleuse hing.

Er war ihr wohl entschwunden, dieser Satz,
vielleicht war sie verwirrt von dem Gemogel,
sie wusste nicht mehr, war's ein Habicht, war's ein Spatz,
so rief sie laut: "Schieß nicht, ich bin dämm Voggel!"

 


 

Ja, was Besondres sind stets Tiere auf der Bühne, man weiß halt nie, wie die sich dort verhalten. 
Soll mal ein Sänger wirken wie ein Hüne, lässt sich’s mit einem Hund vielleicht gestalten.
Zwei Hunde war’n der Grund für dies Geschehen: Bei „Tosca“ ist das alles so passiert,
ich sang den Mesner, und ich musste sehen, dass mir der Chor der „Messknaben“ pariert.
Durch die Musik, die den Tumult begleitet, wenn Scarpia schreitet durch die Kirchentür,
wird dieser Auftritt von Puccini vorbereitet, und Hunde braucht man wirklich nicht dafür.
Man nahm dennoch ein Windhundpaar, so wirkte Scarpias Auftritt schon gelungen.
Doch bei der Vorstellung kam’s vor, ja, es ist wahr, die Hündin wurd vom Rüden gleich besprungen! 
Dem Dirigent’ missfiel das muntre Treiben, zum Intendant’ sagt’ er, es würde ihn genieren,
wenn dort die Hunde weiter würden bleiben, wollt er das Stück so nicht mehr dirigieren.
Die Hunde oder er, er könne wählen. Der Intendant bemerkte lapidar dazu,
ja, zum Regiekonzept müsst man die Hunde zählen, ein’ andern Dirigent’ fänd er im Nu.
Die Hunde blieben, und der Dirigent, er schmollte, das Geld war ihm wohl näher als der Hund.
Weil von der Hündin bald der Rüde nichts mehr wollte, gab’s für ’ne Absage auch nicht mehr so den Grund.  

 


 

Im "Schlauen Füchslein" hab ich eine Szene,
als Dachs treibt mich die Füchsin aus dem Bau,
sie greint, er sei zu groß für mich, ich stöhne.
Sie hetzt die Tiere auf und zieht dort ein für lau.

Es kommt in der Natur wohl öfter vor,
dass sich ein Fuchs ein' Dachsbau einverleibt, 
doch warum ist der Dachs denn so ein Tor
und lässt es zu, dass ihn der Fuchs vertreibt?

Der Dachs baut weit verzweigte Gänge,
sein Bau wird dadurch schnell zum Labyrinth,
gräbt Aus- und Einstiegslöcher jede Menge,
verliert dabei den Überblick geschwind.

So könnte man den Dachsbau auch vergleichen
mit dem Theater, das die Stadt sich einst gebaut.
Ein Intendanten-Fuchs will Einlass sich erschleichen,
bewirbt sich artig, dass man ihm ja traut.

Doch hat er dann im Bau sich eingerichtet,
führt er sich auf, als ob's der seine wär.
Was vorher darin lebte, wird vernichtet,
er herrscht dort rigoros, autoritär!

Ja, und alsbald bricht gar ein Gang zusammen,
da wird 'ne Sparte einfach ausradiert, 
der Dachs, die Stadt, sie wollen wohl nicht ahnen,
was in dem Bau und mit ihm jetzt passiert.

Und langsam werden leerer andre Gänge,
weil sich der Fuchs darin verheddert hat,
es klingen hohl und ängstlich die Gesänge.
Dann sagt der Fuchs: "Ich hab es einfach satt".

Ganz leicht kann einen neuen Bau er finden,
von einem andren Dachs gebaut, ganz wunderschön.
Warum will unser Dachs nun nicht ergründen,
weshalb sein Bau so musst in Trümmer gehn?

Der Fuchs ist weg, ein andrer soll es richten,
der findet sich im Bau noch kaum zurecht.
Ja, am Theater gibt's schon tierische Geschichten,
die klingen fabelhaft, verteufelt wahr und echt.

 


 

    

 

 

 

 

                                                              

Über den Wolf muss ich jetzt noch was schreiben,
hier intressiert er nur als Fabeltier,
mag er als Tier auch schlimme Dinge treiben,
sehn wir bei uns nun Ähnlichkeiten hier?.....

                                              


 

Weltmeisterschaft im Fußball hatt's gegeben vor Jahr'n in Deutschland! Bei 'nem wicht'gen Spiel
war der "Barbier" bei uns "nur" zu erleben, dabei hatt' ich ein ganz spezielles Ziel.

'S war '74, und wir spielten gegen Schweden, die deutsche Mannschaft hoffte zu gewinnen.
Dem Publikum den Spielstand durchzugeben, wollt eine Möglichkeit im Stück ich mir ersinnen.

Im zweiten Akt sing ich als Doktor Bartolo, wie's komponiert ist: "Don Basilio, sagt, wie geht es?"
Weil: "Wie es geht" er dann zurückfragt ebenso, könnt ich auch singen: "Don Basilio, sagt, wie steht es?"

Anstatt nun: "Wie es geht" darauf zu singen, mit dem Kollegen machte ich es nun so aus,
könnt: "Eins zu null" genauso gut auch klingen, den Spielstand wüsste jeder dann im Haus.

So kam im zweiten Akt ich an die Stelle, das Fußballspiel, es war schon fast vorbei,
sang: "Don Basilio, sagt, wie steht es" auf die Schnelle, und Don Basilio sang vergnügt dann: "Vier zu zwei!"

Das Publikum, es freute sich unbändig über die Nachricht und auch den Gewinn.
"Die Oper unterhält doch höchst anständig und informiert, da gehen wir öfter hin!"

Doch wurde dann so groß das Fußballfieber, dass überall ein Fernseher nun lief
und in den Raum, der Bühne gegenüber, vor 'm Auftritt jeder schnell: " Wie steht es?" rief.

So war die Tür zur Bühne schon halb offen, ja, so kommt es bestimmt nie wieder vor,
die Deutschen hatten grade voll getroffen, und alle brüllten ganz begeistert: "Tooor!"

Das war nun bis zum letzten Rang zu hören, derweil "Traviata" grad die Sterbeszene sang,
die Sängerin, die durfte das nicht stören, obschon das Publikum zu lachen fast begann.

Am nächsten Tag ein Schreiben gab's an alle, dass jeder Apparat strikt zu entfernen wär,
in Bühnennähe dann in jedem Falle durfte von Fußball keiner reden mehr.

            

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